powered by eastbook
Susanne Maslanka

Der ewige Präsident Lukaschenko

Alexander Lukaschenko stellt sich am 11. Oktober zum fünften Mal zur Wahl. Dass der „letzte Diktator Europas“ abermals antreten kann, liegt daran, dass er seit 1994 mehrmals das Wahlvolk instrumentalisierte, um durch Verfassungsreferenden seine Macht auszuweiten.

Als Lukaschenko 1994 zum Präsidenten gewählt wurde, war das für viele eine Überraschung: Weder die westliche Öffentlichkeit noch die Eliten des Landes hatten mit dem damals 39-jährigen Parlamentsabgeordneten gerechnet. Er besiegte in der Stichwahl mit Wjatschaslau Kebitsch den aussichtsreichsten Kandidaten und damaligen belarussischen Ministerpräsidenten. Im Juni 1994 begann so Lukaschenkos Aufstieg zur Macht. Relative Bekanntheit erlangte Lukaschenko durch seine Arbeit als Vorsitzender des Anti-Korruptionsausschusses des Parlaments ab 1993. Sympathiepunkte beim belarussischen Volk, das mehrheitlich gerne an der Sowjetunion festgehalten hätte, konnte er durch seine ablehnende Haltung gegenüber der Auflösung der UdSSR sammeln. Geboren und aufgewachsen in einer kleinen Ortschaft nahe der belarussischen Stadt Orscha, war es ihm dennoch möglich, zu studieren. Zunächst machte er seinen Abschluss in Agrarwissenschaften, später absolvierte er noch ein Geschichtsstudium. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei. In den 1980er Jahren arbeitet er als Direktor einer Sowchose.

Breite Unterstützung in der belarussischen Bevölkerung: Die Referenden 1995 und 1996

Nach seinem Amtsantritt 1994 blieb vieles in Belarus beim Alten: Im Unterschied zu manch anderem Nachfolgestaat der Sowjetunion wurden keine harten Wirtschaftsreformen durchgeführt, und die Sozialleistungen blieben vergleichbar hoch. Zudem hielt sich die Arbeitslosenquote auf einem niedrigen Niveau. Daher hatte die Mehrheit des Volkes besonders in der Anfangsphase einen positiven Eindruck von Lukaschenkos Arbeit.

Bereits ein knappes Jahr nach seinem Amtsantritt ließ der Präsident das Wahlvolk über Änderungen der Verfassung abstimmen. Die Abstimmung lief nicht nach internationalen Standards ab, dennoch kann davon ausgegangen werde, dass eine Mehrheit für die Vorschläge des Präsidenten stimmte. Mit der Annahme des Referendums wurde Russisch als zweite Amtssprache eingeführt, eine Staatssymbolik angenommen, die an die der ehemaligen Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik erinnerte, und eine engere wirtschaftliche Integration mit Russland angestrebt. Für das künftige institutionelle Mächteverhältnis war die letzte Frage auf dem Stimmbogen entscheidend: das Volk erlaubte es dem Präsidenten, das Parlament bei Verstößen gegen die Verfassung aufzulösen.

p>

Ein Jahr später, im November 1996, setzte Lukaschenko mit Hilfe eines erneuten Referendums weitere Verfassungsänderungen durch. Das Parlament wie auch das Verfassungsgericht wurden durch die Änderungen faktisch entmachtet. Lukaschenko durfte nun fast alle wichtigen Posten in der Politik und der Verwaltung besetzen. Auf der aktuellen Webseite des Parlaments findet sich eine Rechtfertigung für die Verfassungsänderungen: Diese seien nötig gewesen, da das Parlament in der vorherigen Fassung die anderen Gewalten dominiert hätte. Dies war allerdings zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen. Lukaschenko selbst kommentierte die Vefassungsänderungen in einer Rede so: Das Parlament sei eine Schwatzbude und die Abgeordneten gesellschaftsferne Sesselpolitiker. Er pries die durch die Änderungen erreichte Gewalteneinheit an, da sie das effektive Funktionieren der Regierung garantiere.

Das Referendum 2004: Präsident auf Lebenszeit?

Die revidierte, „superpräsidentielle“ Verfassung gab westlichen Politikern und Politikwissenschaftlern großen Anlass zur Sorge. Die deutsche Politikwissenschaftlerin und Belarus-Expertin Astrid Sahm bezeichnete Lukaschenkos Vorgehen in ihren Analysen als „schleichenden Staatsstreich“. Zusätzlich zur Machtbereicherung des Präsidenten sahen die Verfassungsänderungen vor, dass die fünfjährige Amtszeit des Präsidenten erst mit der Annahme der Verfassungsänderungen als begonnen gelte. Daher musste sich Lukaschenko erst 2001 wieder zur Wahl stellen. Auf dem Weg dahin festigte er weiter seine Macht: unabhängige Medien wurden nach und nach geschlossen und Oppositionelle massiv unter Druck gesetzt. In der westlichen Öffentlichkeit löste vor allem das Verschwinden von vier oppositionellen Aktivisten und die folgende unzureichende Aufklärung der Vorfälle Kritik aus.

Bei den Präsidentschaftswahlen im September 2001 konnte sich Lukaschenko mit großem Abstand zu seinen Gegenkandidaten durchsetzen, die Wahlen wurden von der OSZE jedoch als unfair, unfrei und undemokratisch verurteilt. Nach der ersten geglückten Wiederwahl sah sich Lukaschenko allerdings vor einem Problem: Laut belarussischer Verfassung war die Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten begrenzt.

Für die Auflösung dieser Beschränkung instrumentalisierte er abermals die belarussischen Bürger. Im Oktober 2004 wurde das Volk befragt, ob es dem amtierenden Präsidenten eine erneute Kandidatur erlaube und die Amtszeitbegrenzung in der Verfassung aufgehoben werden solle. Das Wahlvolk stimmte mit eindeutigen 88,9 Prozent der abgegebenen Stimmen dafür. Das Referendum wurde aber von westlichen Beobachtern erneut als unfair und unfrei beurteilt. Dank der geänderten Verfassung konnte sich Lukaschenko auch 2006 und 2010 zum Präsidenten wählen lassen. Glaubt man einer aktuellen Befragung des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts IISEPS, so hätten im Juni 2015 knapp 39 Prozent der Befragten für Lukaschenko als Präsidenten für die kommende Amtszeit gestimmt. Auf den beliebtesten oppositionellen Kandidaten entfielen dagegen nur 6,5 Prozent. Doch Mikalaj Statkewitsch tritt gar nicht zur Wahl im Oktober an, auch deshalb steht wohl Lukaschenkos fünfter Amtszeit nichts entgegen.

Autor

Susanne Maslanka beschäftigt sich mit Belarus, seitdem sie 2009-2010 einen Freiwilligendienst in der Kleinstadt Pinsk im Süden des Landes geleistet hat. Zurzeit studiert sie Osteuropastudien in München.

ZURÜCKarrow

PARTNERSCHAFT

Das Teaserbild ist eine Bearbeitung von "Belarus" von Marca Veraarta, es steht unter CC-BY-Lizenz.